Eines der schwersten Dinge beim Geschichten schreiben ist das Erfinden von Namen. Namen haben eine große Bedeutung. Namen müssen zu einer Figur passen, aber nicht zu klischeehaft klingen. Für die Hauptfigur dieser Kurzgeschichte habe ich mir einen ziemlich merkwürdigen Namen ausgedacht. Eigentlich wollte ich ihm keinen Namen geben, aber am Ende hatte ich doch das Gefühl, dass ein Name notwendig ist. Entstanden ist diese Geschichte, weil ich mir Figuren für eine längere Scifi-Comicgeschichte ausgedacht habe und mich mal ein bisschen hineinfühlen wollte. Das liegt hier schon länger herum und nun dachte ich, dass es ja nicht verkehrt ist, wenn ich das einfach mal veröffentliche. Tut ja nicht weh.

 

Dilvatur Nimip (PDF)

„Jeder hier kennt Kina. Aber keiner kennt sie wirklich gut. Es ist nicht so, dass sie schüchtert ist oder so. Sie ist immer der Mittelpunkt jeder Unterhaltung. Aber wenn du sie auf etwas persönliches ansprichst, lenkt sie schnell vom Thema ab. Die meisten merken es nicht einmal. Ich merke sowas!“, der korpulente Mann lehnt sich sich zurück und macht einen tiefen Zug aus seiner rauchfreien Zigarette. Dann lässt er den Blick schweifen und wirft seinem Gegenüber einen bedeutungsvollen Blick zu. „Sie hat ein dunkles Geheimnis! Es geht mich natürlich nichts an. Als sie vor vier Monaten hier in meiner Tür stand, war mir ihre Vergangenheit vollkommen egal. Denn hier ging es um’s Geschäft. Sie fragt mich, ob sie bei mir arbeiten kann“, er lehnte sich wieder nach vorne, „und wenn du sie dir ansiehst, weißt du, dass sie gut für’s Geschäft ist. Die Männer, die hier was trinken, arbeiten zwölf Stunden oder mehr in der Erzverarbeitung und wenn die danach dann hier zu mir kommen, dann wollen sie ein gutes Bier und ein paar hübsche Mädels zum Träumen. Nicht, dass du auf falsche Ideen kommst. Alles, was hier läuft, ist legal. Ich kenne das Gesetz. Aber meine Mädels sind dafür da, unseren Gästen das Gefühl zu geben, begehrt zu sein. Darum hab ich Kina eingestellt. Sie hat das mit mir gemacht und sie hat es auch mit meinen Gästen gemacht.“, er seufzt, „Gutes Personal ist hier draußen wirklich rar. Ich befürchte, jetzt wo sie weg ist, muss ich die Kleine wieder einstellen, die ich wegen Kina gefeuert habe.“
„Also, du willst Informationen haben, ich weiß. Keiner kennt Kina so gut wie ich. Darum bist du hier richtig. Aber sie ist ein Rätsel. Das Meiste sind gut begründete Vermutungen. Sie wohnte hier alleine und hat fast nie Besuch gehabt. Niemand ist ihr in dieser Zeit wirklich nahe gewesen und an öffentlichen Freizeitaktivitäten hat sie nie teilgenommen. Sie muss unglaublich arm sein. Sonst hätte sie wohl kaum für den Lohn gearbeitet, den ich ihr gezahlt habe“, ein Lachen erschallte, das in schweren Husten überging. Dann wurde er wieder ernst. „Ihr makelloses Aussehen ist nur Fassade. Einmal wurde sie von einem Gast mit dem Essbesteck angegriffen. Das passiert, wenn sich einer meiner Gäste mehr wünscht, als er bekommen kann. Da hab ich sie in die Krankenstation begleitet, damit sie wieder zusammengeflickt wird. Der Doktor hat mir später freundlicherweise berichtet,“, er lachte kurz ,“ dass ihr Körper übersät ist mit chirurgischen Eingriffen. Wenn du mich nach meiner fachmännischen Meinung fragst, waren das Bestrafungen.“ Er hielt inne, als wäre ihm selbst gerade etwas eingefallen. Dann schaute er sich im Gastraum um. Außer ihm und seinem Gesprächspartner war niemand mehr da.
Er atmete tief und geräuschvoll ein, schob sein leeres Cocktailglas zur Seite und stützte sich mit seinem Ellenbogen so auf den Tisch, dass er dem dunkel gekleideten Mann, der ihm mit ungerührter Miene gegenüber saß, ganz nahe kam. Er flüsterte fast. „Ich hab’s nicht gewusst.“ Die beiden blickten sich für einen Moment in die Augen, bis der Barmann dem Blick nicht mehr standhalten konnte. Für eine Weile schaute er sich den maßgeschneiderten Anzug des schmalen Mannes an. Dann wischte er sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
Langsam und zitternd sagte er „Könnten wir nicht zu einer Einigung kommen?“

 

Am nächsten Tag war das beliebte und größte Lokal der Bergbaustation geschlossen. Im Informationsnetz der Station wurde eine offizielle Verlautbarung bekanntgegeben:

Wegen illegaler Beschäftigung einer entlaufenen Sklavin, Verdacht auf nicht registrierte Zuhälterei und versuchter Bestechung eines staatlichen Inspektors wurde Dilvatur Nimip dem Magistraten übergeben. Seine Gaststätte bleibt bis auf weiteres geschlossen.